Intensivmedizin

Neue Intensivstation unter neuer Leitung

08-02-23
Neue Intensivstation unter neuer Leitung

Dr. Philippe Kaiser hat per November 2022 die Leitung unserer neuen Intensivstation übernommen. Wir wollten von ihm wissen, was unsere Intensivstation auszeichnet, wie sein Arbeitsalltag aussieht und welcher Fall ihm besonders in Erinnerung geblieben ist.

7 Minuten
Frank Engelhaupt
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Dr. Kaiser arbeitet nicht zum ersten Mal am See-Spital. Vor 15 Jahren war er bereits ein Jahr lang Assistenzarzt für Innere Medizin. Im November 2022 ist er zurückgekehrt und hat die Leitung unserer neuen Intensivstation als Nachfolger von Dr. Julien Marrel übernommen.

Unsere Intensivstation ist sowohl für die Bedürfnisse der Patient*innen als auch für die Anforderungen des Personals bestens gerüstet.

Dr. Kaiser im Austausch mit Frau Bayram, Expertin Intensivpflege am See-Spital

Dr. Kaiser, vor 15 Jahren waren Sie bereits als Assistenzarzt am See-Spital. Worin bestehen Ihre Aufgaben heute?

Meine Hauptaufgabe besteht darin, die Intensivstation zu leiten. Doch als Leitender Arzt Anästhesiologie, Intensiv- und Rettungsmedizin (AIR) bin ich tageweise auch im Operationssaal als Anästhesist tätig oder begleite den Rettungsdienst als Notarzt bei Einsätzen mit Lebensbedrohung.

Stützpunkt der Intensivstation See-Spital

Was zeichnet unsere Intensivstation aus?

Auf unserer Intensivstation lassen sich Patient*innen, die sich in kritischer Verfassung oder sogar in Lebensgefahr befinden, sehr gut betreuen. Uns stehen sechs Einzelkojen mit grossen Fenstern zum Innenhof zur Verfügung, wovon vier Kojen auch für Beatmungen ausgerüstet sind. Zudem befinden wir uns auf dem gleichen Stock wie die Operationssäle und die Perioperative Betreuungseinheit (Holding Area und Aufwachraum) – durch die kurzen Wege erhöht sich so die Patient*innensicherheit.

Mit der Infrastruktur sind Sie also zufrieden?

Unsere Intensivstation ist sehr modern und sowohl für die Bedürfnisse der Patient*innen als auch für die Anforderungen des Personals bestens gerüstet.

Frau Bousrih, Expertin Intensivpflege am See-Spital

Die Fenster gehen zum Garten hinaus. Haben Patient*innen überhaupt etwas von einer Aussicht ins Grüne?

Tageslicht schafft nicht nur ein angenehmes Ambiente. Es gibt wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, dass sich Tageslicht positiv auf die Genesung von Patient*innen auswirkt. Vom Tagesanbruch bis zur Abenddämmerung verändert sich natürliches Licht ständig. Dies schafft Orientierung und beugt Verwirrtheit und Wahrnehmungsstörungen vor. Für die Zufriedenheit der Mitarbeitenden ist Tageslicht ebenfalls ein wichtiger Faktor. Man fühlt sich besser und leistungsfähiger als in einem Raum, der ausschliesslich mit Kunstlicht beleuchtet ist.

Was gibt auf der Intensivstation zu tun?

Beim ersten Rapport um 07.00 Uhr erhalte ich Informationen von den Kolleg*innen, die in der Nacht vor Ort waren. Ich sehe mir auch die einzelnen Laborbefunde an, um mir ein Bild über den Zustand der einzelnen Patient*innen zu machen. Gegen 08.00 Uhr bespreche ich mit der Intensivstation -Pflegeleitung, wen wir verlegen und gehe anschliessend mit Kaderärzt*innen der Chirurgie oder Inneren Medizin auf Visite. Danach lege ich mit meinen Assistent*innen und der Pflege den Tagesplan fest. Sind Medikamente anzupassen? Müssen Installationen verändert werden? Gibt es spezielle Untersuchungen, die anstehen? Solche Fragen klären wir. Visiten und Planung will ich bis Mittag erledigt haben.

Wir befinden uns auf dem gleichen Stock wie die OP-Säle und die Perioperative Betreuungseinheit – durch die kurzen Wege erhöht sich so die Patient*innensicherheit.

Am Nachmittag kümmern wir uns um Neuaufnahmen, führen Gespräche mit Angehörigen und stimmen uns mit Zuweisenden und Hausärzt*innen ab. Falls nötig begleiten wir Patient*innen zu radiologischen Untersuchungen wie CT oder MRI. Zurzeit haben wir ausserdem noch administrative Aufgaben auf dem Tisch, die im Rahmen unserer Re-Zertifizierung erledigt werden müssen.

Frau Borovszky, Leitung Intensivpflege am See-Spital.

Wie krank muss jemand sein, damit man sagt: Dieser Mensch braucht Intensivversorgung?

Intensivmedizinische Patient*innen sind meistens so krank, dass sie Unterstützung für ihre Organe bei Organversagen benötigen. Wenn jemand beispielsweise Medikamente für den Kreislauf im Sinne einer medikamentösen Dauerreanimation braucht, die man nur auf der Intensivstation abgeben kann. Oder wenn jemand Unterstützung bei der Atmung nötig hat. Respiratoren für intubierte Patient*innen gibt es nur auf der Intensivstation. Am häufigsten sind Patient*innen, die Komorbiditäten mit sich bringen. Das sind Patient*innen mit bereits eingeschränkter Herz-, Nieren- oder Lungenfunktion. Wenn dann noch ein Infekt mit systemischer Entzündungsreaktion dazu kommt, werden diese Patient*innen schnell ein Fall für die Intensivversorgung.

Was unterscheidet die Intensivstation von der "normalen“ Bettenstation?

Auf der Bettenstation werden Medikamente meist oral verabreicht, die Patient*innen sind dort wach und ansprechbar. Auf der Intensivstation ist der Zustand der Patient*innen meist kritisch. Viele Medikamente verabreichen wir intravenös oder über einen Perfusor. Perfusoren sind programmierbare Dosierpumpen, mit denen zum Beispiel Narkosemedikamente appliziert werden. Dabei läuft die Medikamentenabgabe kontinuierlich ab und wir möchten sofort am Monitor sehen, wie der Kreislauf reagiert.

Stichwort: Digitales Monitoring. Ist das schon ausgerollt oder noch Zukunftsmusik?

Die Software soll Mitte 2023 für Anästhesiologie und Intensivmedizin eingeführt werden, die entsprechende Hardware steht in den Zimmern bereit. Das digitale Monitoring ist ein wichtiger Mosaikstein, der unsere Intensivstation vervollständigt.

Dr. Kaiser mit Assistenzarzt Dr. Ammann.

Im Zuge der Pandemie haben Intensivstationen eine gewisse Berühmtheit erlangt. Sehen Sie noch Covid-Patient*innen?

Covid wird immer noch häufig nachgewiesen. Schwere Verläufe mit Patient*innen, die intubiert werden müssen, sehen wir allerdings bedeutend seltener. Die Leute werden nicht mehr so schwer krank wie noch vor zwei Jahren.

Welches sind die häufigsten Krankheitsbilder, die auf der Intensivstation behandelt werden?

Aktuell sehen wir häufig septische Patient*innen mit Lungenentzündungen, bei denen der Körper so stark beeinträchtigt ist, dass er Unterstützung hinsichtlich Kreislauf oder Beatmung braucht. Dazu kommen Patient*innen mit Intoxikationen und gynäkologische Patientinnen mit Schwangerschaftskomplikationen. Chirurgische Patient*innen, also Menschen, die postoperativ überwacht und weiter therapiert werden müssen, sind zurzeit etwas weniger häufig.

Sie versorgen eher ältere Menschen?

Die meisten unserer Patient*innen sind zwischen 70 und 80 Jahre alt. Wir behandeln aber auch jüngere Patient*innen. Gestern kam jemand mit einem lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock zu uns. Dabei tritt eine allergische Reaktion sehr plötzlich auf. Dies kann bei gleichzeitigem Zusammenbrechen mehrerer Organe lebensgefährlich sein.

Zum Alltag auf einer Intensivstation gehört auch der Umgang mit Sterben und Tod. Wie gehen Sie persönlich mit schicksalshaften Situationen um?

Schwere Fälle bespreche ich immer mit Kolleg*innen, die ebenfalls in die Behandlung eingebunden sind oder ähnliche Dinge aus ihrer Erfahrung kennen. Natürlich ist es wichtig, dass ich mich von dem distanzieren kann, was auf der Intensivstation geschieht. Dies gelingt mir am besten bei Sport oder wenn ich Zeit mit der Familie verbringe.

Covid wird immer noch häufig nachgewiesen, schwere Verläufe sehen wir allerdings nur noch selten.
Gibt es einen besonderen Fall, der Ihnen geblieben ist?

Ich erinnere mich an eine ältere Patientin, die bereits komatös zu uns kam. Sie musste aufwändig am Gefässsystem operiert werden, danach lag sie intubiert auf der Intensivstation, ihr Zustand war kritisch. Obwohl ihre Prognose alles andere als gut war, überstand sie den Eingriff und konnte nach relativ kurzer Zeit ohne neurologische Einschränkungen entlassen werden. Eindrücklich war der Brief ihrer Enkelin: “Danke, dass ich meine Grossmutter noch etwas behalten darf!”

Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf am besten?

Die Vielfalt meiner Aufgaben gefällt mir. Dadurch, dass mein Pensum nebst der ärztlichen Leitung der Intensivstation auf Intensivmedizin, Anästhesiologie und Notfallmedizin aufgeteilt ist, komme ich mit verschiedenen Menschen aus unterschiedlichen Abteilungen zusammen. Dieser interdisziplinäre Austausch bereichert meinen Alltag enorm.

Dr. Kaiser, vielen Dank für das Gespräch.
Verbindung zu den Leistungen vom See-Spital

Mehr zum Institut für Anästhesiologie, Intensiv- und Rettungsmedizin finden Sie hier:

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