Frauenklinik

Kinderwunsch: Interview mit Dr. Efthymia Konstantinidou

13-10-22
Kinderwunsch: Interview mit Dr. Efthymia Konstantinidou

Im Interview erzählt Sie über die heutigen Möglichkeiten und Chancen.

7 Minuten
Melanie Roche
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Ein Gespräch über die medizinischen Möglichkeiten beim unerfüllten Kinderwunsch

Dr. Konstantinidou ist Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe seit 2019 und seit Oktober 2021 in der Frauenklinik des See-Spitals tätig. Sie hat sich in den letzten Jahren im Bereich unerfüllter Kinderwunsch engagiert und absolviert noch ein Master Studium in “Human Reproduction”.

Was versteht man unter dem Thema Kinderwunsch?

Unter dem Thema Kinderwunsch versteht man das Bedürfnis einer Frau oder auch eines Mannes nach einem eigenen Kind. Heutzutage wird es häufig fälschlicherweise mit dem Begriff unerfüllter Kinderwunsch verwechselt. Eine Schwangerschaft kann man nicht immer genau planen aber man kann sich gut darauf vorbereiten. Beim Aufkommen des Kinderwunsches empfiehlt es sich, das Gespräch mit einem Gynäkologen, bzw. einer Gynäkologin zu suchen. Dieses kann auch mit einer gynäkologischen Jahreskontrolle kombiniert werden.

 

Im Gespräch erhalten Frauen wichtige Informationen zur Schwangerschaft und wertvolle Tipps für die Vorbereitung. So empfiehlt es sich zum Beispiel bereits drei Monate vor der Empfängnis täglich eine Folsäure Tablette einzunehmen. Eine zahnärztliche Kontrolle ist vor der Schwangerschaft ebenfalls wichtig. Wie auch die Abklärung von möglichen Risikofaktoren für eine Schwangerschaft, wie das Vorbestehen von Erkrankungen oder die Einnahme von Medikamenten. Zusätzlich kann beim Vorliegen von Risikofaktoren für genetische Krankheiten in der Familie (wie zum Beispiel Thalassämien, zystische Fibrose, Spinale Muskelatrophie) eine weitere Diagnostik oder genetische Beratung organisiert werden.

 

Als Beispiel, rund 3% der Weltbevölkerung sind Anlageträger für ein pathologisches Hämoglobin. In der Schweiz sind ca. 50’000 Menschen Überträger der Sichelzellkrankheit oder von Thalassämien. Viele davon sind sich dessen nicht bewusst. Kinder, die von beiden Elternteilen ein mutiertes Gen erben, tragen ein signifikantes Risiko für schwerer Erkrankungen. Daher ist im Rahmen der Kinderwunsch- oder Schwangerschaftsdiagnostik eine entsprechende Abklärung von Vorteil.

 

Die Gynäkologin informiert auch darüber, was in den ersten Schwangerschaftsmonaten zu beachten ist.

Wann spricht man von Unfruchtbarkeit?

Wir sprechen generell von Fertilität und nicht von Unfruchtbarkeit. Die Daten zeigen, dass die Mehrheit der Paare innert der ersten 12-24 Monaten spontan schwanger werden (fast 90%). Ein weiterer kleiner Anteil wird innert 5 Jahren spontan schwanger und in wenigen Fällen ist eine spontane Schwangerschaft tatsächlich fast unmöglich. Nach Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) besteht eine Infertilität, wenn in einjähriger Partnerschaft trotz regelmässigem ungeschütztem Geschlechtsverkehr und ohne offensichtliche organische Störungen der Partnerin oder des Partners keine Schwangerschaft eintritt.

 

Sofern keine gesundheitlichen Störungen wie eine Hodentumorerkrankung oder Chemotherapie beim Partner vorliegen, oder unregelmässige Zyklen oder gynäkologische Erkrankungen bei der Partnerin bestehen, ist nach einem einjährigen Ausbleiben der Schwangerschaft eine ärztliche Untersuchung beider Partner empfohlen.

 

Bei Frauen über 35 Jahren oder bei offensichtlichen organischen Störungen (z.B. PCOS) empfiehlt sich eine Fertilitätsabklärung schon nach sechs Monaten. Bei Frauen über 40 Jahren kann eine Abklärung schon vor Beginn des Kinderwunsches stattfinden.

Wie hoch sind die Chancen, spontan schwanger zu werden?

Das ist für jedes Paar sehr individuell und hängt von vielen Faktoren ab, wie zum Beispiel dem Alter der Frau. Die Studien zeigen, dass ein Paar jeden Monat mit ca. 20% Chance auf eine Schwangerschaft rechnen kann. Je älter die Frau wird und je länger das Paar erfolglos eine Schwangerschaft anstrebt, werden die Chancen kleiner.

Die Datenlage zeigt, dass ca. 75-80% der Frauen innert der ersten 6 Zyklen schwanger wird.

Kann eine Frau die Fruchtbarkeit natürlich fördern?

Hier hilft ein ausgewogener und gesunder Lebensstil. Gesunde Ernährung, Sport sowie Normalgewicht sind gute Voraussetzungen für eine Schwangerschaft. Der Lebensstil ist für die Fruchtbarkeit und die Schwangerschaft wichtig.

Hat Stress bei Frau Einfluss auf die Fruchtbarkeit?

Mit diesem Thema befassen sich aktuell viele Studien. Mittlerweile bestätigen Untersuchungen, dass grosser Stress vermehrt zu Fehlgeburten oder Frühgeburten führen kann. Diese Aussage sollte aber keinesfalls generalisiert werden, da die Stress Resilienz, d.h. Empfinden von Stress, individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt ist.

Was sind die Hauptgründe für das Ausbleiben einer Schwangerschaft?

Bei 40% der Fälle liegen die Ursachen bei der Frau, bei 40% beim Mann und in 20% sind die Gründe kombiniert oder unbekannt. Es gibt viele Faktoren, welche noch nicht erforscht wurden. Wie zum Beispiel genetische Inkompatibilität. Studien zeigen zurzeit, dass genetische Ursachen eine grosse Rolle spielen. Die Medizin steht am Anfang der genetischen Untersuchungen. Manchmal müssen sich Paare einfach etwas mehr gedulden – und plötzlich klappt es.

Wie kann der Fertilitätsstatus eines Paares untersucht werden?

Dies kann durch eine gynäkologische Anamnese und Hormonuntersuchung der Frau untersucht werden. Es werden zwischen dem 2. und 5. Zyklustag folgende Hormone aus dem Blut bestimmt: FSH, LH, AMH (Anti-Müller-Hormon), E2, Testosteron, DHEA, TSH, Prolaktin, Ferritin, Vitamin D, Kleines Blutbild, CRP, Chlamydien IgG und IgA.

 

Anamnese und Spermiogramm beim Mann

Der Samen des Mannes wird auf die Anzahl, Form und Beweglichkeit der Spermien und auf das Vorliegen einer Entzündung untersucht. Für diese Untersuchung überweisen wir die Patienten an externe Labore und gegebenenfalls zu einem spezialisierten Urologen, falls weitere Abklärungen notwendig wären.

 

Ultraschall-Untersuchung (Kontrastsonographie)

HyCoSy ist eine sonografische Untersuchung, die mit Hilfe eines speziellen Kontrastmittels die Durchgängigkeit der Eileiter und die Anatomie der Gebärmutterhöhle überprüft.

Die Untersuchung wird ambulant in der Praxis durchgeführt, eine Narkose wird keine benötigt. Das Kontrastmittel wird in die Gebärmutter eingespült. Falls die Eileiter offen sind, verteilt sich die Flüssigkeit und lässt sich in der gleichzeitig durchgeführten Ultraschalluntersuchung nachweisen. Anschliessend wird Kochsalzlösung in die Gebärmutter gespült, damit sich die Gebärmutterhöhle entfaltet. Auf diese Weise können Auffälligkeiten dargestellt werden (z.B. Polypen, Myome, Verwachsungen, pathologische Uterusformen), die unter Umständen die Einnistung des Embryos behindern.

 

Diagnostische/therapeutische Hysteroskopie und/oder Laparoskopie

Bei Auffälligkeiten im Ultraschall und Verdacht auf Pathologien in der Gebärmutterhöhle oder im Becken (z.B Myomen, Endometriose, Verklebungen) kann eine Hysteroskopie und/oder Laparoskopie indiziert sein.

Diese Eingriffe können alle am See-Spital durchgeführt werden.

Ist die Qualität der Eizelle überprüfbar?

Die Qualität kann nicht 100% kontrolliert werden. Verschiedene Faktoren, wie zum Beispiel das Alter der Frau, das Albert-Müller-Hormon (AMH Wert) oder der sonografische Untersuch der Anzahl Eizellen (AFC) können uns indirekt Informationen über die Eizellenreserve und Eizellqualität liefern. Alle diese Faktoren sind allerdings kein Indikator dafür, ob und wann eine Frau schwanger wird.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Für welche soll man sich entscheiden?

Wichtig ist, dass man eine richtige, umfassende Abklärung bei den Paare macht, sodass die bestmögliche Behandlung, individuell mit jedem Paar geplant wird. Es kann von einfachem Zyklusmonitoring bis hin zur künstlichen Befruchtung führen.

Wir am See-Spital führen alle Abklärungen durch und bieten folgende Behandlungsmethoden vor Ort an:

  • Zyklusmonitoring
  • Hormonelle Stimulation
  • Insemination

Für die Paare die eine künstliche Befruchtung benötigen, stehen wir jederzeit für Begleitung und Beratung zur Verfügung.

Was tun, wenn es am Mann liegt?

Auch hier gibt es Möglichkeiten, den Ursachen auf den Grund zu gehen. Die erste Abklärung ist das Spermiogramm. Bei Auffälligkeiten werden weitere Untersuchungen üblicherweise beim Urologen durchgeführt. Eine gute Nachricht ist: Medizinisch kann fast jeder Mann ein Kind zeugen. Beim Mann ist heute mehr machbar als bei der Frau.

Wie erfolgreich sind diese Methoden?

Das hängt immer vom Fertilitätsstatus des Paares ab. Die beste Methode können wir erst nach dem Abschluss aller Untersuchungen einschätzen. Durchschnittlich wissen wir, dass wir mit einer 10-12% Schwangerschafts-Chance nach einer hormonellen Stimulation rechnen können. Bei einer intrauterinen Insemination steigt die Wahrscheinlichkeit um 15-18% pro Zyklus und bei der In-vitro-Fertilisation (IVF) um rund 25-30%.

Verbindung zu den Leistungen vom See-Spital

Unter diesem Link finden Sie alle wichtigen Informationen zu unserer Frauenklinik.

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