Chirurgie

Wir stellen vor: Enrico Pöschmann

02-06-22
Wir stellen vor: Dr. Enrico Pöschmann

Dr. Enrico Pöschmann ist belegärztlicher Chirurg und Leiter des Ärzterates See-Spital. In unserem Artikel spricht er über seine erste Stelle, wie er von Leipzig übers Engadin ans linke Zürichseeufer kam und wie er mit belastenden Situationen umgeht.

7 Minuten
Frank Engelhaupt
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Für die Redefreiheit auf die Strasse

Aufgewachsen im Osten Deutschlands, absolvierte Dr. Pöschmann seine medizinische Ausbildung an der renommierten und geschichtsträchtigen Universität Leipzig. Nach dem Mauerfall befindet sich die Stadt im Umbruch. Dr. Pöschmann erinnert sich: “Braunkohle und die chemische Industrie dominierten das Stadtbild. Es gab viele  zerfallene Häuser. Niemand hätte gedacht, dass sich Leipzig zu der Kultur- und Wirtschaftsmetropole entwickeln würde, die sie heute ist.” Auch die Ereignisse des Wendejahres 1989 sind ihm noch in deutlicher Erinnerung: “Ich bin damals auf die Strasse gegangen, um frei meine Meinung sagen zu dürfen. Um Reisefreiheit ging es mir nie.”

Dr. Enrico Pöschmann, Mitglied der Geschäftsleitung und Vorsitzender des Ärzterates See-Spital

Erste Station: Bodensee

Nach seinem Studium verlässt Dr. Pöschmann seine Heimat und nimmt seine erste Stelle am Bodensee an. Er kommt nach Singen, in die damals grösste extrauniversitäre Chirurgie Deutschlands. Für jeden jungen Arzt war der Ort ideal: “Ich wollte weg aus Leipzig, neue Therapien kennenlernen, mein Behandlungsspektrum erweitern und andere Leute kennenlernen. Ich hatte eine sehr gute Zeit. Ich konnte meine gesamte chirurgische Ausbildung absolvieren. In Konstanz habe ich dann noch eine weitere Facharztausbildung in Unfallchirurgie gemacht.”

Winter im Engadin

In die Schweiz kommt Dr. Pöschmann durch Zufall. Kurz vor der Wintersaison hatte sich im Spital Samedan ein leitender Operateur in die Finger geschnitten und dabei zwei Nerven durchtrennt. Man war auf der Suche nach einer Aushilfe und Dr. Pöschmann nutzt die Gelegenheit. “Warum nicht mal eine Wintersaison ins Engadin? Es wurden knapp zwei Jahre draus. Ich liebe das Engadin, für mich eine der schönsten Gegenden der Schweiz. Dort kann ich entspannen.” Nach seiner Zeit in den Bergen zieht es Dr. Pöschmann wieder in die Stadt. Er ist mehrere Jahre als Teamleiter am Unispital Zürich tätig und nimmt zudem einen Lehrauftrag an der medizinischen Fakultät der Universität Zürich wahr.

Dr. Pöschmanns Kernkompetenzen sind Allgemeinchirurgie, Handchirurgie, Hernienchirurgie, Minimalinvasive Chirurgie und Unfallchirurgie

Plan B ausgeschlossen

Bereits als Kind wollte Dr. Pöschmann Chirurg werden. Einen Plan B gab es für ihn nie. Deshalb erstaunt ihn heutzutage die neuen Generationen der Assistenzärztinnen und -ärzte und deren Einstellung zur Karriere: “Sie sind für alles offen. Das ist ja nicht unbedingt schlecht, aber vielen von ihnen fehlt eine Vision, wo sie sich langfristig sehen und auf die sie fokussiert hinarbeiten. Das wäre zu meiner Zeit gar nicht gegangen, denn es hatte genügend Ärzte. Man musste sich wirklich differenziert auf eine Assistenzstelle bewerben. Die erste Frage, die mir gestellt wurde, war: Wollen Sie überhaupt Chirurgie machen? Hätte ich das nur leise in Frage gestellt, hätte ich die Stelle niemals bekommen.”

Belegarzt in Horgen und Kilchberg

Seine Beziehung zum See-Spital beginnt 2010. Dr. Pöschmann eröffnet seine Praxis in Thalwil, genau zwischen Kilchberg und Horgen. Als Belegarzt arbeitet er im Sanitas und im Spital Zimmerberg und operiert auch nach der Fusion jede Woche an beiden Standorten. Im Lauf der Jahre entsteht so ein tiefes Vertrauensverhältnis zu den Mitarbeitenden: “Ich kenne die Leute, die Leute kennen mich. Ich weiss, wo ich abgeben kann, und wo ich ein bisschen unterstützen muss. Ich wohne glücklicherweise auch noch in Oberrieden. Meine Patientinnen und Patienten wissen, dass ich in fünf Minuten vor Ort bin / sein kann.”

Zum Operieren nach Afrika

Dr. Pöschmann ist Chirurg mit Leib und Seele. Sein Fachwissen und Können setzt er daher über seinen Berufsalltag hinaus auch für medizinische Entwicklungshilfe ein: “Ich habe viel in Sambia gemacht und in Tansania. Dieses Jahr gehe ich nach Kenia, falls es die Situation zulässt. Es geht mir darum, zum einen möglichst vielen Menschen zu helfen, zum anderen junge Ärztinnen und Ärzte auszubilden. Das ist viel nachhaltiger. Wenn ich jemanden bei zehn Operationen assistiere, der dann dort bleibt, bringt das viel mehr, als wenn ich selber zehn Leute operiere.”

Nach der OP ist vor der OP

Für einen Chirurg kann der Grat zwischen Leben und Tod sehr schmal sein. Obwohl man sein Bestes gibt, reicht es manchmal nicht, um die Patientin oder den Patienten zu retten. Dr. Pöschmann war lange als Notarzt im Einsatz und hat auch das Zugunglück in Eschede 1998 miterlebt. Wie geht man mit solchen belastenden Situationen um? “Für mich ist das ein Bestandteil des Berufs. Es darf mich gar nicht zu sehr belasten. Und der Grund ist der: Ich habe ja am nächsten Tag wieder jemanden auf dem OP-Tisch. Und diesem Menschen gegenüber bin ich auch verpflichtet. Wenn ich dann nicht fit bin, dann bin ich denen gegenüber unfair. Die haben verdient, dass ich mich ihnen zu hundert Prozent widmen kann. Das geht nur, wenn ich mich abgrenze.”

Dr. Pöschmann und sein Team bei der Durchführung einer Narbenhernienoperation.

Halt im Team

Eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung von schwierigen Ereignissen spielt für Dr. Pöschmann der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen: “Wenn jemand im Schockraum verstirbt, ist dies gerade für junge Ärztinnen und Ärzte sehr bewegend. Solche Fälle werden im Team nachbesprochen, man entwickelt Strategien, um mit der Situation klar zu kommen. Sonst suchen sie in einer schicksalhaften Situation die Schuld bei sich und laufen Problemen nach, die sie nicht lösen können. Das sind dann die Burnout-Fälle – Das darf nicht sein.”

Blick in die Zukunft

Angesprochen auf die Zukunft des See-Spitals, ist Dr. Pöschmann grundsätzlich optimistisch: “Das hängt natürlich auch von den politischen Entwicklungen im Gesundheitswesen ab. Ich freue mich auf jeden Fall sehr, auch weiterhin in Horgen zu operieren. Mit dem Neubau und dem geplanten Campus verbessern sich auch die Arbeitsbedingungen fürs Personal, es gibt sehr viele Vorteile.”

Weitere Vorzüge des Neubaus sieht Dr. Pöschmann für die Bevölkerung am linken Seeufer. Er findet es wichtig, dass die medizinische Versorgung für die Menschen der Region auf hohem Niveau erhalten bleibt: “Wenn das Spital verschwinden würde, dann müssten ältere Menschen nach Zürich. Mit 80 Jahren ist es dann schwierig, die Ehefrau oder den Ehemann zu besuchen. Die haben bereits das Spital Wädenswil und das Spital Richterswil verloren. Für diese Menschen ist eine gute regionale Versorgungsqualität wichtig. Ich hoffe, dass der Campus in Horgen hierzu das richtige Gefäss bietet. Ich freue mich auf jeden Fall auf die Eröffnung.”

Verbindung zu den Leistungen vom See-Spital

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